Mittwoch, 14. März 2012

1.28.3 Deichkind - Befehl von ganz unten


Wir befinden uns im Jahre 2012.
Die mit wortgewandtem Hip-Hop aus dem Untergrund getretene Formation hat wesentliche personelle Veränderungen hinter sich. Krisen, erfolgreiche Tourspektakel und ein bedauernswerter Todesfall reihten sich durch die Jahre in die Bandgeschichte ein.
Schließlich sind seit der letzten Scheibe vier Jahre vergangen, doch 2011 wird endlich ein neues Album für das erste Quartal des kommenden Jahres angekündigt. Es erscheint pünktlich und verkauft sich in der Schweiz passabel, in Deutschland und Österreich stark.
Der Befehl von ganz unten wird vom deutschsprachigen Europa ausgeführt: Dem Mutterschiff Deichkind wird erfolgreich eine Landebahn freigeräumt und beleuchtet.

Was wir schon vom Intro Tetrahedon zu hören bekommen, stimmt uns elektronisch. Hip-Hop war mal. Die Typen, die am Deich wohnen haben jenen mit LED ausgestattet, verfolgen eine Party in die Fresse-Politik, die man zu Zeiten von Aufstand im Schlaraffenland lediglich angeschlagen bekommen hat. Gegen die Lautstärke und die bpm des neuen Albums wirkt alles zuvor wie der Grundkurs.
Wer die letzten 30 Jahre keine Zeitung gelesen hat, kann sich mit 99 Bierkanister gerne auf den neuesten Stand bringen. Danke, Deichkind, so lange haben wir nicht geschlafen. Aber sie heißen alle Hörer inmitten ihres neuen Werkes willkommen.
Atzenmusik-streifende Unterhaltung folgt - die bunten Lichter während den Tracks Befehl von ganz unten und Illegale Fans kann man fast durch den Player leuchten sehen, die Pheromone des tanzenden Publikums fast fühlen. Auch beim Humor wurde nicht gespart. Dieses transformierte Deichkind atmet eindeutig noch durch organische Lungen, doch das Publikum ist definitiv mit leichterer Kost zufrieden als früher.
Die tolle Single Bück dich hoch wirkt auf den fünften Blick erfreulicherweise immer noch smart und unterhaltsam, großspurig mitgröhlbar, schlägt sich sozusagen nicht mit der Einstellung der Formation. Einem Flop der zweiten Single Leider geil (Leider geil) wurde mit einem Pannenvideo die sichere Seite versichert, ebenfalls unterhaltsam, doch mutig ist etwas anderes. Private Fernsehsender bringen das Marketing in Schwung, die Tour scheint zudem soweit gewinnbringend gen Süden vorwärts zu schreiten.

Mit Der Mond und Der Strahl auf dem Album kann man zudem nicht von seelenlosem Konzepten sprechen. Die Jungs werden auch nach Jahren ihrem Ruf, auch melancholische Seiten zu besitzen, gerecht. Ein Luftbahn ist es trotzdem nicht.
Die oben angesprochene Politik der Scheibe ist im Grunde auch ihr eigener Schwachpunkt. Nur Fans hören näher hin, man muss da mit Interesse reinwachsen - über Deichkind stolpert man nicht mehr und bleibt einfach so kleben. Befehl von ganz unten hat ein geniales Booklet mit großartigen Anekdoten, umgeschriebenen Texten und dem Amazon-Review eines zerstreuten Hörers. Die Phantasyroman-gleiche Cover Art wirft, ähnlich wie die Musik, keine Fragen auf.
Auf diesem Album findet man höchstens Antworten auf Fragen, die man sich niemals stellen wollte.

Ein schlechter Longplayer sieht nach allem was auf Strawpinion schon vertreten war, anders aus. Was trotzdem unumstößlich verhauen wurde, ist die Trackanordnung. Leute, Leute, stand da irgendein Konzept dahinter? Selten wurde man unfertiger aus einem Album entlassen. Die rote Kiste (feat Slime) wäre doppelt so gut, wenn sie mittendrin stehen würde, anstatt hintenan. Der Strahl ist im hingegen ein eindeutiger Opener! Wenn sie sich schon vier Jahre Zeit lassen, erwarte ich mir nicht nur ein äußerlich attraktives, sondern innerlich vollständiges Werk.
Und vollständig ist sie wirklich nicht. Die riesige Pyramide des in die Jahre gekommenen Deichkinds steht stabil am Ende der Landebahn. Und das bei einem Album, das von A-Z eigentlich in die Luft geht.

Antworten über Antworten.
Ich persönlich empfinde das Album Befehl von ganz unten eher als .. Sabberwarmmacher für ihre Live-Show.
Deswegen bin ich mir fast sicher, morgen um diese Uhrzeit werde ich schlauer sein!

StrawHat
(freut sich auf bunte Lichter)
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TRACKLIST & HIGHLIGHTS:


01 Tetrahedon
02 99 Bierkanister
03 Befehl von ganz unten
04 Leider geil (Leider geil)
05 Der Mond
06 Illegale Fans
07 Partnerlook
08 Bück dich hoch
09 Egolution
10 Pferd aus Glas
11 Der Strahl
12 Die rote Kiste (feat. Slime)

LINKS:

BÜCK DICH HOCH MUSIKVIDEO: http://www.tape.tv/vid/225171

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