Mittwoch, 12. Juni 2013

1.32.1 Justin Timberlake - The 20/20 Experience (Deluxe)

7.1/10.0

Wie sicherlich nicht nur einmal erwähnt, ist Pop nicht mein Gebiet. Ich meine, heutzutage ist man der Radiowatsch'n auf die eine oder andere Weise sowieso ausgeliefert. Die Plattenfirmen spinnen einem die Sicherungen kaputt und Ohrwürmer schleichen sich ein. Die Leute greifen uns mit ihren perfekt konstruierten Balladen und unverschämt ordentlich arrangierten Chartbreakern an und oft reagiert man fast schon automatisch negativ auf neue Kommerzmusik, einfach weil sie sich eben danach anhört. Gute Künstler also auf einem musikalischen Grund und Boden herauszufiltern, über den so gut wie jeder schonmal geurteilt hat, ist knifflig und schwer vertretbar:
"Was? Der gefällt dir? Der schreibt doch nicht mal seine Songs selber!" oder "Nein, machs aus, ich kanns nicht mehr hören. Das ist schon die fünfte Single vom neuen Album." oder "Die ersten Alben waren viel besser, die verkauft mittlerweile jeden Scheiss."

Popmusik hat angesagt zu sein und es ist ein andauernder Meinungskampf und vorallem ein tägliches Wettrennen um Publicity und Artikel-, oder iTunes-Käufe oder Clicks im Internet geworden. Ein unüberschaubarer Strudel, den man vollkommen zur Seite stellt, wenn man einfach nur das gekaufte Werk in den Player wirft und auf Play drückt, sich eine CD-Laufzeit lang einfach nur mit dem Produkt beschäftigt und betet, das hart erarbeitete Geld nicht für Schwachsinn rausgeworfen zu haben. Extra Stress für Pop-Alben also, die so schnell an der Kante zur Sinnlosigkeit klingen und eine Welt beschreiben, die man als Normalsterblicher einfach nicht betritt, sondern nur davon träumt. Darüber sinniert.

Wenn ein Justin Timberlake also nach 6 1/2 Jahren und einer lustwandelnden Film-Karriere wieder einen Longplayer auf den Markt bringt, spitzt die 1. Welt die Ohren und setzt die Röntgenbrille auf um den herabgestiegenen Messias ausgewogen zu durchleuchten. Und da mich Mr. Timberlake einst mit sauberer Tanzmusik verzauberte und sein Kunstwerk über Sex und Liebe in unserer Zeit unerwartet stark in meiner persönlichen Wertung abschnitt, muss ich zugeben, nicht minder gehyped worden zu sein, wieder etwas von ihm um die Ohren gesäuselt zu bekommen. Plötzlich ist mir Popmusik ein Thema. Auf einmal kämpft hier ein Hollywood-Star um mehrere Strawards.
Mit Pauken und Trompeten.

Timberlake bringt eine rosarote Kreativität zu Tage, die an Charisma seinesgleichen sucht. Er schafft es, dieses hier nun mehr oder minder triefende Gesülze authentisch klingen zu lassen, unterstreicht seine Komplimente mit bodenständiger Badassness am Mikrophon (Suit & Tie), stimmt einen mehrstimmigen Lobgesang auf die Einzigartigkeit seiner Auserwählten an (Pusher Love Girl), arbeitet mit einhergehender Problematik eines Liebenden (Tunnel Vision, Mirrors) und trifft offenkundig jeden Ton dabei. Ob bei der ersten Aufnahme oder der zehnten ist in solchen Momenten irrelevant.

Diese kühle Brise während der 20/20 Experience, nimmt nur äußerst selten stürmische Regionen an. Sie tanzt hauptsächlich im Traumwandel und es empfiehlt sich, die Scheibe in langsamen Momenten zu genießen, um einer kitschigen .. Disney-Magie (Blue Ocean Floor) die Chance zu geben, sich zu entfalten. Sofort spürt man den inhaltlichen Wert des Werks und kann Timberlake längst nicht mehr böse sein, uns eine gefühlte Ewigkeit nicht mit einfach gestricktem Pop guten Herzens erfüllt zu haben.

Das nun ausgesprochen .. es könnte besser sein. Ab und an gewinnt man nämlich den Eindruck, er spielt auf ein Tor ohne Tormann, dreht seine Tracks in den abschließenden zwei Minuten geradezu nochmal um 90° um eine vollkommen neue Perspektive zu schaffen. Kurz gesagt: Man bewertet zu oft zwei Songs an Stellen, an denen es sich um lediglich einen handeln sollte.
Freilich hört sich das geil an, stinkt aber nach einer Art Musterschüler, der sich auf dem Risiko ohne Überraschung nicht ausruhen will.
Zudem hat er sich mit den Bonus-Tracks auf der Deluxe-Version keinen Gefallen getan. Blue Ocean Floor als Outro zu killen ist ein Produktions-Fauxpas. Eine EP hätte ich ihm mit Sicherheit abgekauft.

Anders als auf vorherigen Alben bietet nicht jeder Song eine Sympathie für die Ewigkeit. Die Singles sitzen stabil im Sattel, wichtige Eckpunkte wurden taktisch abgesteckt. Nur zwischendrin krankt das Ding etwas, kann daher als Gesamtwerk nicht über seinen direkten Vorgänger herausragen.

Gott sei Dank also ist das Label schlau genug, Ende des Jahres ein Sequel zu veröffentlichen. Ob die Musiklaune über den Zorn der doppelten Kosten triumphieren kann, wird sich also früher zeigen müssen als erhofft.

StrawHat
(shouldn't have to ask that question)
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TRACKLIST & HIGHLIGHTS:
  
01 Pusher Love Girl
02 Suit & Tie
03 Don't hold the wall
04 Strawberry Bubblegum
05 Tunnel Vision
06 Spaceship Coupe
07 That Girl
08 Let the Groove get in
09 Mirrors
10 Blue Ocean Floor
11 Dress on
12 Body Count

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