Samstag, 7. September 2013

1.39.1 James Blake - James Blake (Deluxe)

8.7/10.0

Ich denke, mich relativ unvorbelastet in das erste Studioalbum des Nord-Londoners zu werfen und einfach mal abzuwarten, was genau mir da empfohlen wurde, war eine kluge Herangehensweise.
Denn wenn man nach dem Herrn googlet, sich die vielen aberwitzigen Beschreibungen seiner Musik durchliest, und auf plötzliche Offenbarung, nein, zumindest Wegweiser hofft, in welche musikalischen Gebiete es einen mit dem nach ihm selbst benannten Album verschlagen wird, dann wird man weder schlauer, noch glücklich.

Glücklich wird man, so gesehen, beim Hören aber auch nicht. Das kommt erst hinterher. Wenn man die ewige herrschende Dunkelheit dieser Scheibe hinter sich gelassen hat, die rauschenden Beats, die einem wie sichtbarer Staub in der leicht beleuchteten Nacht entgegenfliegen, durch seine Erinnerung daran streifen lässt und eine ausgiebige Zeit lang darüber nachdenkt, woran man eben teilhaben durfte nämlich.

James Blake, Jahrgang 88, beschreibt seine musikalische Suche nach sinnvoller Musik jedenfalls als eine sehr glückliche. Sich dem Schreiben von Songtexten zu widmen, mit merkwürdig vertrauten Kompositionen wie dem Opener der Deluxe-Edition, Tep and the Logic, etwas auszulösen, vielleicht etwas Positives auf der Welt zu hinterlassen.
Positive Melancholie, wenn ich dem etwas hinzufügen darf.
Die Songs auf diesem Album schwingen sehr tief und größtenteils, nein hauptsächlich, langsam. Oft ist es nur seine gehauchte, elektronisch verzerrte Stimme, die den Hörer an der Hand nimmt und mutig durch den Track zieht. Notwendiger Mut, denn reflektierende Lyrics warten an jeder Strophenecke und luren hungrig nach menschlichen Schwächen und geben Gelegenheit in unterhaltsamer Schwermut, Emotionen raus zu lassen.
Es ist, gelinde gesagt, süchtig machend, sich in jene Dunkelheit zu stellen und Mr. Blakes Ideen eines guten Albums das Ruder übernehmen zu lassen.
Klar, man kann das Ding auch bei Besuch im Hintergrund laufen lassen und es sorgt letztendlich sicherlich für Gemütlichkeit und Vertrautheit, aber wird man diesen gigantischen Nummern wie Limit To Your Love, The Wilhelm Scream oder dem Lindisfarne-Zweiteiler auf diese Weise gerecht?
Nein, es ist als würde man auf einer Geburtstagsfeier beiläufig The Godfather ansehen und kurz vor Beginn einer filmhistorischen Szene, diese mit "Yeah, die Stelle wird jetzt so gut!" kommentieren.

Ähnlich Burial, musikalisch bloß mindestens ein entfernter Dubstep-Cousin, zeigt James Blakes Debutalbum, dass man sich für gewisse Musik Zeit nehmen und zur Ruhe finden muss.
Dann wirken die teilweise irritierend deutlichen elektronischen Effekte (Unluck, I Mind, You Know Your Youth) eben auch nicht mehr konträr, sondern begleitend und ein Stück weit essenziell, so wie es sich der Künstler vorgestellt hat.
CD 1 ist also bis zum Rand voll mit progressiven rechten Haken. Ein luxuriöser Umstand, der uns das Anhängsel mit seinen sechs weiteren Nummern fast als nebensächlich erscheinen lässt.
Und tatsächlich geht die fortgesetzte Wirkung der zweiten Scheibe (der Enough Thunder EP) im Vergleich eher baden, und hat etwas von unnötiger Überstrapazierung. Deplatzierte, hinterfragende Überlegungen über Produktionsentscheidungen schleichen sich zum flächendeckend guten Eindruck des Albums, und den beinahe religiösen Klängen von Measurements. Track 4, die wunderschöne Sonate A Case For You gibt aber auch diesem Teil schließlich seine Daseinsberechtigung, wenn auch etwas spät. Da es außerdem als separates, aufwärmendes, Werk zu sehen ist, hinterlässt es in der Gesamtwertung der LP keine Spur, wird irgendwann für sich selbst geradestehen müssen.

Um also am Ende eines klar zu stellen: Ein Fall für jeden wird der als freundlich und zufrieden bechriebene Musiker nicht sein, dazu ist sehr Gesangstil einfach zu selten vom roten Faden abweichend und für ein leichtes, oberflächliches Hören (und danach ist erfolgreiche Popmusik ja bekanntermaßen gerichtet) tendenziell ungeeignet.
Ich bin aber der Meinung, dass es sich bei der fast schon magischen Atmosphäre dieses Albums um eine kraftgebende Spende für die innere Zufriedenheit handelt. Songs, die beispielsweise Liebeskummer heilen können, und Menschen einander verstehen lassen.
Und was gibt am Ende mehr Glück als das?

StrawHat
(stellt auch mal rhetorische Fragen)
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TRACKLIST & HIGHLIGHTS: 

CD 1
 
01 Tep and the Logic
02 Unluck
03 The Wilhelm Scream
04 I Never Learnt To Share
05 Lindisfarne I
06 Lindisfarne II
07 Limit To Your Love
08 Give Me My Month
09 To Care (Like You)
10 Why Don't You Call Me
11 I Mind
12 Measurements
13 You Know Your Youth

[Try the whole thing please]
 
CD 2 (Enough Thunder EP)

01 Once We All Agree
02 We Might Feel Unsound
03 Fall Creek Boys Choir (with Bon Iver)
04 A Case Of You
05 Not Long Now
06 Enough Thunder

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